Was steckt hinter den Beschwerden?

Reizdarm: Ursachen

Ursachen

Bis heute sind die Ursachen für die Entwicklung des Reizdarmsyndroms (RDS) nicht vollständig erforscht. Man geht davon aus, dass verschiedene Einflussfaktoren bei der Entstehung der Erkrankung mitwirken und die Art und Schwere der Symptome beeinflussen können. Heute weiß man, dass der Darm von Betroffenen besonders empfindlich auf Reize reagiert. Außerdem scheint die Interaktion zwischen „Bauchhirn“ und „Kopfhirn“ gestört zu sein. Darüber hinaus ist zum Beispiel auch auffällig, dass das Reizdarm-Syndrom oft nach einem Darm-Infekt auftritt und die Darmflora bei Reizdarm-Patienten Veränderungen aufweist.

Ursachen für Reizdarm-Beschwerden

Das Reizdarmsyndrom gibt Medizinern bis heute noch viele Rätsel auf. Eine einzelne Ursache konnte bislang nicht gefunden werden. Tatsächlich bestimmt offenbar ein komplexes Geflecht physiologischer und psychologischer Faktoren das Krankheitsbild. Es konnten verschiedene Ursachen und Veränderungen identifiziert werden, die bei der Entstehung des RDS eine Rolle spielen sollen:

Reizdarmsyndrom: Ursachen

Oft ist es schwierig, Ursachen und Folgen auseinander zu halten, weil sich die einzelnen Faktoren gegenseitig beeinflussen.

Interaktion von „Bauchhirn“ und Kopfhirn“

Die sog. „Brain-Gut“ (zu Deutsch: Hirn-Darm)-Hypothese geht davon aus, dass eine normale Funktion des Verdauungstraktes eine reibungslose Interaktion zwischen dem sogenannten „Bauchhirn“ (enterales Nervensystem) und dem „Kopfhirn“ (zentrales Nervensystem) voraussetzt. Bei Reizdarm-Patienten ist die Kommunikation zwischen diesen Systemen offenbar gestört, was weitreichende Folgen haben kann und zum Beispiel zu Störungen der Darmmotilität (Darmbewegung) führt.

Gestörter Serotonin-Haushalt

Der körpereigene Botenstoff Serotonin spielt offenbar eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des Reizdarmsyndroms. Er ist sowohl im Darmtrakt als auch im zentralen Nervensystem als sogenannter Neurotransmitter wirksam. Doch nur ein Bruchteil der gesamten Serotonin-Menge im Körper ist im zentralen Nervensystem verortet – der Großteil ist in bestimmten Zellen der Darmwand lokalisiert. Der Botenstoff vermittelt im Darm zum Beispiel die Entstehung von Schmerzen und beeinflusst auch die Darmbewegung und die Abgabe von Verdauungssäften.

Störung der Darmmotilität

Die natürlichen Darmbewegungen gewährleisten, dass der Speisebrei im Rahmen des Verdauungsprozesses nicht einfach an Ort und Stelle liegen bleibt, sondern in Richtung „Ausgang“ weitertransportiert wird. Bei Reizdarm-Patienten ist diese sogenannte Darmmotilität (Darmaktivität) gestört: Sie kann erhöht sein, dann tritt Durchfall auf – oder sie ist erniedrigt. Dann ist Verstopfung die Folge.

Überempfindlichkeit des Darms

Der medizinische Fachbegriff lautet „viszerale Hypersensibilität“. Betroffene nehmen mechanische oder chemische Reize im Darm (und anderen Bauchorganen) stärker wahr als Gesunde. Das hat zur Folge, dass sie zum Beispiel steigenden Druck im Darm oder reizende Stoffe aus der Nahrung früher als störend oder schmerzhaft empfinden. Bei Betroffenen wurde zudem eine erhöhte Dichte von Nervenfasern in Biopsien der Darmschleimhaut festgestellt.

Darminfekte

Auch Darminfekte zählen zu den möglichen Auslösern des Reizdarmsyndroms. So ist das Risiko für das RDS ist nach einer bakteriellen Darminfektion 8- bis 15-fach erhöht.1 Man geht dabei davon aus, dass nach dem überstandenen Infekt kleinste Entzündungen im Darm (Mikroentzündungen) fortbestehen und es zu Veränderungen der Darmflora kommt. Die Reizdarmbeschwerden können über Wochen, Monate und Jahre bestehen.

Veränderte Darmflora

Gesichert ist, dass das Reizdarmsyndrom mit Veränderungen der Darmflora, auch Mikrobiota genannt, einhergeht. Während manche Bakterienarten vermehrt vorkommen, sind andere in ihrer Anzahl verringert – das empfindliche Gleichgewicht, das normalerweise zwischen den einzelnen Mikroorganismen besteht, ist gestört. In Stuhlproben von RDS-Patienten war speziell die Zahl der Bifidobakterien erniedrigt. Der Einsatz von Probiotika kann helfen, die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass Probiotika als evidenzbasierte Behandlungsoption in der medizinischen Leitlinie zum Reizdarmsyndrom empfohlen werden.2

Gestörte Barriere-Funktion

Der Darm ist mit einer Schleimhautschicht ausgekleidet, die – ähnlich wie unsere Haut – eine Barriere mit wichtigen Schutzfunktionen darstellt. Sie grenzt unseren Körper vom Speisebrei und anderen Substanzen ab, die von außen in den Verdauungstrakt gelangen. Bei Reizdarm-Patienten ist diese Barriere-Funktion gestört – die Darmschleimhaut weist eine erhöhte Permeabilität (Durchlässigkeit) auf. Mediziner sprechen auch vom sogenannten „Leaky-Gut-Syndrom“. Das hat zur Folge, dass Fremdstoffe und Krankheitserreger leichter durch die Darmwand hindurch ins Blut gelangen können. Für die Aufrechterhaltung der Barriere-Funktion ist eine intakte Darmflora wichtig. Eine ungünstige Ernährungsweise, Stress und Infekte können das empfindliche Gleichgewicht der Darmflora stören.

Stress, psychische Faktoren

Auch wenn man davon ausgeht, dass psychische Faktoren alleine die Erkrankung nicht hervorrufen können so gilt doch als sicher, dass Stress bei vielen Betroffenen zu einer Verschlimmerung der Symptome führt. Eine eindeutige ursächliche Beziehung zwischen RDS und Stress konnte bisher allerdings nicht belegt werden. Auffällig ist, dass Angststörungen und Depressionen bei RDS-Patienten häufiger auftreten. Das könnte mit dem gestörten Serotonin-Stoffwechsel zusammenhängen.

Erhöhte Immunaktivität in der Darmschleimhaut

Das RDS ist oft mit einer Störung des Immunsystems im Darm verbunden. So wurde zum Beispiel eine Zunahme von Immunzellen wie z. B. Mastzellen und T-Lymphozyten festgestellt, die mit geringgradigen Entzündungen (Mikroentzündungen) einhergehen.

Genetische Faktoren

Bisher ist kein einzelnes Gen bekannt, das das Reizdarmsyndrom auslösen könnte. Dennoch vermutet man, dass gewisse genetische Faktoren eine Rolle spielen – denn oft leiden Eltern oder Geschwister der Patienten ebenfalls am RDS. Wahrscheinlich sind einzelne Gene, zum Beispiel jene, die für die Darmmotilität verantwortlich sind, bei Betroffenen verändert. Durch das Zusammenwirken mit negativen Umwelteinflüssen kann so die Entwicklung der Erkrankung begünstigt werden.

Umwelteinflüsse

Zu den möglichen äußeren Faktoren, die die Entwicklung des RDS begünstigen können, zählen neben Stress zum Beispiel auch Inhaltsstoffe aus stark verarbeiteten Lebensmitteln und Medikamente.

Ernährungsfaktoren

Viele Menschen mit RDS leiden auch unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Bestimmte Zucker (z. B. Milchzucker, Fruchtzucker) und andere Nahrungsbestandteile wie z. B. Histamin oder Gliadin (Weizen) können die Symptome dann verschlimmern. Auch ungünstige Ernährungsgewohnheiten können die Beschwerden auslösen oder verstärken. Die Erkrankung wird aber nicht durch eine ungesunde Ernährung hervorgerufen.

Reizdarm & Darmflora Zusammenhänge

Das Reizdarmsyndrom geht mit Veränderungen der Darmflora (Mikrobiota) einher. Heute weiß man, dass Störungen dieses empfindlichen Gleichgewichts verschiedener Mikroorganismen ernste Folgen für unsere Gesundheit und unser psychisches Wohlbefinden haben können. Denn unsere Darmbewohner helfen nicht nur bei der Verdauung unserer Nahrung mit – sie beeinflussen auch, ob wir uns glücklich oder niedergeschlagen fühlen, ob wir schlank sind oder eher dick. Außerdem können unerwünschte Darmbakterien auch dazu führen, dass vermehrt Gase entstehen. Blähungen sind die Folge.

Reizdarm Mögliche Behandlungsmaßnahmen

  • Beim Arzt: Andere Ursachen für die Beschwerden ausschließen lassen
  • Beschwerdetagebuch führen
  • Individuelle Triggerfaktoren ermitteln (z. B. bestimmte Nahrungsmittel, Stress)
  • Gängige Arzneimittel kommen in Abhängigkeit von den jeweiligen Beschwerden zum Einsatz
  • Probiotika bei Reizdarm
  • Ggf. Wärme bei Bauchschmerzen, Ballaststoffe bei Verstopfung etc.

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1Andresen V, Keller J, Pehl C, Schemann M, Preiss J, Layer P: Clinical practice guideline: Irritable bowel syndrome—the main recommendations. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(44): 751–60.
2Layer P et. al.; S3-Leitlinie zur Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Z Gastroenterol 2011; 49:237-293 (In Überarbeitung).