Verbreitete Irrtümer
Reizdarm: Mythos oder Wahrheit?
Die Betroffenen bilden sich die Beschwerden nur ein? Mit ihrem Darm ist alles in Ordnung? Es kursieren viele Gerüchte über das Reizdarmsyndrom (RDS). Doch was stimmt wirklich? Die wichtigsten Fakten haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Mythos oder Wahrheit – was stimmt?
Betroffene bilden sich die Beschwerden nur ein
Menschen mit Reizdarm haben oftmals mit Vorurteilen zu kämpfen. So bekommen sie beispielsweise häufig zu hören, ihre Beschwerden seien sicherlich psychisch bedingt – oder gar sie seien reine Einbildung. Schließlich findet kein Arzt eine Ursache für die quälenden Symptome.
Doch das ist ein Irrtum. Menschen mit Reizdarmsyndrom sind keine „eingebildeten Kranken“ – die Beschwerden sind real. Und oft leiden die Patienten so stark, dass die Lebensqualität beeinträchtigt ist. Fakt ist aber auch, dass psychische Einflüsse wie zum Beispiel Stress oft als Triggerfaktor wirken und die Symptome auslösen oder verstärken können.
Das Reizdarmsyndrom ist eine seltene Erkrankung
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist weit verbreitet und die häufigste funktionelle Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 10-15 Prozent der Erwachsenen unter den Darmbeschwerden leiden. Frauen sind dabei doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Bei Betroffenen können im Darm keine Veränderungen festgestellt werden
Richtig ist, dass mit der gängigen Routinediagnostik tatsächlich keine Ursache für die Beschwerden gefunden werden kann. Allerdings weiß man heute aus Studien, dass bei Betroffenen zahlreiche Veränderungen im Darm vorliegen. Dazu zählt zum Beispiel eine gesteigerte Empfindlichkeit des Darms. Ärzte sprechen von einer viszeralen Hypersensitivität. Bei Betroffenen reagiert der Darm folglich stärker auf Reize wie z. B. Dehnung, bestimmte Lebensmittel oder Stress. Darüber hinaus ist auch die natürliche Darmbewegung (Motilität) gestört: Eine gesteigerte Motilität löst Durchfall aus, eine verminderte führt dagegen zu Verstopfung.
Bei Reizdarm-Patienten ist die Darmflora verändert
Heute weiß man, dass bei Menschen mit Reizdarmsyndrom eine veränderte Darmflora (Mikrobiota) vorliegt. So kommen manche Bakterienarten vermehrt vor, während die Anzahl anderer Arten verringert ist. Auch speziell die sogenannten Bifidobakterien, die zu den „guten“ Darmbewohnern gehören, waren in Stuhlproben von Patienten mit Reizdarmsyndrom erniedrigt. Ausgewählte Bakterienstämme wie das Bifidobacterium infantis werden deshalb heute zur Behandlung des Reizdarmsyndroms empfohlen. Aufgrund der überzeugenden Studienlage haben die deutschen und internationalen Fachgesellschaften für Gastroenterologie sie auch als evidenzbasierte Therapieoption in die deutschen und internationalen medizinischen Leitlinien zum Reizdarmsyndrom aufgenommen.1,2 Solche „guten“ Bakterien können die bei Reizdarm-Patienten gestörte Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen und so verschiedene Darmbeschwerden gleichzeitig lindern.
1Layer P et. al.; S3-Leitlinie zur Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Z Gastroenterol 2011; 49:237-293 (In Überarbeitung).
2Irritable Bowel Syndrome: a Global Perspective Update September 2015. World Gastroenterology Organization, 2015.
RDS kann durch einen Magen-Darm-Infekt ausgelöst werden
Bei manchen Menschen tritt das RDS nach einer akuten Magen-Darm-Infektion auf. Dann sprechen Ärzte von einem sogenannten postinfektiösen Reizdarmsyndrom. Bemerkenswert: Das Risiko für das RDS ist nach einer bakteriellen Darminfektion 8- bis 15-fach erhöht.1
Man geht davon aus, dass kleinste Entzündungen (Mikroentzündungen) in der Darmwand und eine gestörte Darmflora auch nach Abheilen des Infekts zurückbleiben und auf diese Weise die Entwicklung einer Reizdarmsymptomatik begünstigen, die Wochen, Monate oder gar Jahre andauern kann.
1Andresen V, Keller J, Pehl C, Schemann M, Preiss J, Layer P: Clinical practice guideline: Irritable bowel syndrome—the main recommendations. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(44): 751–60.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten können ähnliche Symptome auslösen
Durchfall und Bauchschmerzen – eine Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsbestandteile kann ähnliche Symptome wie das Reizdarmsyndrom auslösen. Verbreitet ist die sogenannte Laktose-Intoleranz, bei der Milchzucker nicht richtig verdaut werden kann. Aber auch zu viel Fruchtzucker (Fruktose) aus Obst oder Fruchtsäften kann für Unruhe im Darm sorgen.